Denkmalkonflikte


DenkmalKonflikte

Denkmäler, ob groß oder klein, auf den ersten Blick sichtbar oder eher unscheinbar, mit politischem oder nicht explizit politischem Inhalt, finden sich in Dörfern und Städten sowie bisweilen in der Landschaft. Häufig nimmt man sie nicht wahr, aber gerade in den vergangenen Jahren sorgten bestimmte Denkmäler in öffentlich geführten Debatten für Gesprächsstoff und rückten damit ins Blickfeld.

Die aktuellen, teils global stattfindenden Konflikte um Denkmäler gingen von der 2020 entstandenen #BlackLivesMatter-Bewegung aus. Im Fokus der Konflikte steht, wie man mit Denkmälern umgehen soll, wenn sich „die historische Einschätzung der geehrten Personen bzw. der erinnerten Ereignisse […] zu wandeln beginnt“ (Holfelder/Schönberger 2020: 209). Die im Zuge der #BlackLivesMatter-Debatte gestürzten, geköpften, „beschmierten“ und kommentierten Denkmäler sind starke Statements im Konflikt um die Besetzung des öffentlichen Raums. Es geht dabei auch um die Frage, welche und wessen Erinnerung den öffentlichen Raum in Anspruch nehmen darf und auf welche Weise dies ausverhandelt wird.

Denkmäler und Erinnerung

Als Denkmäler gelten Bauwerke, Statuen, Gemälde und Grabhügel, die an öffentlichen Plätzen an eine Person, eine Gruppe oder ein Ereignis erinnern sollen. Unterschieden wird zwischen personenbezogenen, gruppenbezogenen und ereignisbezogenen Denkmälern.

Das Ansinnen von Denkmalstiftern besteht darin, über die materielle Einschreibung in den öffentlichen Raum ein Territorium zu markieren, um einem Ereignis, einer Gruppe oder einer Person Bedeutung zu verschaffen. Dabei ist die Aufstellung ein bedeutungsvoller Akt der (zumeist politischen) Inszenierung, der nicht selten von Feierlichkeiten begleitet wird.

Denkmälern wird zugeschrieben, zur Begründung eines kollektiven Gedächtnisses und zur Herstellung einer gemeinsamen Erinnerung beizutragen. Die Erinnerungszeichen zeigen aber vor allem an, welche Deutung von Geschichte hegemonial ist. Mit Denkmälern beruft man sich also auf die Vergangenheit, um sich in der Gegenwart zu verorten. Geschichtserzählungen, die über Denkmäler ein kollektives Gedächtnis begründen sollen, sind zeitabhängig und lassen sich jeweils unterschiedlich interpretieren (vgl. Stachel 2007: 24ff.).

Denkmäler im öffentlichen Raum

Denkmäler stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit einer räumlichen Erfahrung. Sie visualisieren, definieren, besetzen, erweitern und verändern den öffentlichen Raum. Diesen Raum gilt es, als Text zu verstehen, der mit bedeutungstragenden Zeichen angereichert ist (vgl. Stachel 2007: 17). Er ist ein durch lesbare materielle und symbolische Markierungen sozial und kulturell strukturierter Raum, der kollektive, erinnerungs- und identitätsstiftende Funktionen übernehmen soll.

Der öffentliche Raum ist zugleich von territorialen Ansprüchen, Mehrfachzuschreibungen und Mehrfachbeanspruchungen geprägt, die oft mit Irritationen und Konflikten einhergehen. Die symbolische Aneignung von öffentlichem Raum unterliegt daher regelmäßig Neucodierungen sowie Um- und Überschreibungen (vgl. Stachel 2007: 20ff.). Diese basieren auf unterschiedlichen Erzählungen über und Perspektiven auf die Vergangenheit – Geschichte lässt sich also nicht auf eine einzige Lesart reduzieren (vgl. Stachel 2007: 44f.).

Denkmäler und Geschichtsbilder

Bei Denkmalkonflikten „[…] geht es um die Legitimität der hegemonialen Erinnerung und um alternative Sichtweisen auf die betreffenden Ereignisse und Personen“ (Holfelder/Schönberger 2020, 209f.). In anderen Worten: Wenn ein Denkmal zum Anlass von Konflikten wird, tritt das, was es verkörpert, in Konkurrenz zu einer anderen, abweichenden Geschichtserzählung. Neue Blickwinkel und andere Interpretationen in der Geschichtsschreibung konkurrieren mit alten, bisher vorherrschenden Narrativen. Bei diesen Konflikten geht es zumeist weniger um seine materielle und physische Form als um die spezifische Geschichtsdeutung, die es symbolisieren soll.

Wenn öffentliche Plätze neugestaltet, Denkmäler ausgetauscht oder Straßennamen geändert werden, können die früheren Zuschreibungen an diese Orte häufig nur schwer überdeckt werden (vgl. Stachel 2007: 27). Weiters markieren Erinnerungszeichen das Territorium hegemonialer gesellschaftlicher Kräfte, welche eine allgemeingültige Version der Geschichte reklamieren und symbolisch in den öffentlichen Raum einzuschreiben beanspruchen. Das verweist darauf, dass Erinnerungszeichen, egal welcher Art, nicht nur zeitliche, sondern auch räumliche Einschreibungen in das kollektive Gedächtnis einer Gesellschaft sind (vgl. Holfelder/Schönberger 2020: 209ff.).

Zur Systematik von Denkmalkonflikten

Die Austragung von Konflikten rund um Denkmäler findet auf verschiedene Weise statt. Die hier versammelten Beiträge veranschaulichen diverse Konflikte um historische Ereignisse oder Personen, die in die Gegenwart hineinreichen bzw. in der Gegenwart neu verhandelt werden. Es geht dabei meist nicht um die Frage der ‚richtigen‘ oder ‚wahren‘ Erinnerung, sondern darum, wie über die Erzählung der Geschichte die Gegenwart legitimiert wird.

Denkmalkonflikte werden auf verschiedene Weise geführt und sichtbar gemacht: Es finden sich Denkmalstürze, Denkmalverlegungen an einen anderen Ort, Denkmalkommentare (in Schrift und Farbe), Denkmalergänzungen (Zusatztafeln), Gegendenkmäler sowie Anordnungen, in denen Denkmäler in ein neues (oftmals künstlerisches) Ensemble integriert werden. Wir finden aber auch Interventionen, die den Konflikt auf das zwischenstaatliche Parkett ausweiten.

Das Waffen-SS-Denkmal in Stillfüssing (Oberösterreich) bediente den österreichischen Opfermythos (Uhl 2001). Die Täterschaft und die Beteiligung an Kriegsverbrechen der am Ort des Denkmals bestatteten Mitglieder der Waffen-SS blieb unerwähnt. Der historische Hintergrund ihres Todes wurde also unsichtbar gemacht. Das Denkmal wurde 2021 neu konzipiert. Die Umgestaltung ist das Ergebnis einer veränderten Betrachtungsweise, die den bislang verkürzten inhaltlichen Rahmen der Erinnerung erweitern soll.

Der Vorwurf gegen das schon lange umkämpfte Karl-Lueger-Denkmal in Wien lautet, dass über dieses Denkmal ausschließlich das Engagement des ehemaligen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger als Sozialreformer in den Mittelpunkt gestellt werde. Dieser Darstellung mache aber die mit der Person Lueger verbundene antisemitische Problematik unsichtbar. Im Zuge der Kontroverse finden sich verschiedene Formen des Konflikts: Denkmalkommentierungen in Text und Farbe, Protestaktionen sowie Gegenproteste von Rechtsextremen, eine Zusatztafel seitens der Stadt, aber auch verschiedene Wettbewerbe zur künstlerischen Umgestaltung des bestehenden Denkmals.

Eine Inszenierung von Machtverhältnissen zeigt das Monument der Afrikanischen Wiedergeburt in Dakar (Senegal). Es soll die panafrikanische Idee verkörpern. Zugleich zeigt es den Einfluss eines Präsidenten, der sich selbst ein Denkmal setzen wollte. Der Konflikt um dieses Monument erfolgt eher implizit. Über dieses Denkmal werden –vorwiegend auf der Ebene der alltäglichen Kommunikation – religiöse (in Bezug auf die Darstellung der Figuren) und soziale Gegensätze (Kosten des Denkmals) verhandelt.

Der Macht, die der Fähigkeit zur Denkmalsetzung innewohnt, steht die Macht zum Denkmalsturz nach der Niederlage eines denkmalsetzenden Regimes entgegen. Beispielhaft steht hierfür das Denkmal für den irakischen Diktator Saddam Hussein. Gegen Ende des Irakkrieges wurde dem von ihm selbst gepflegten Personenkult mit militärischer Gewalt ein Ende gesetzt. Sein Denkmal wurde regelrecht ‚gestürzt‘. In diesem Konflikt wurde der besiegte Machthaber zunächst symbolisch entmachtet, ehe die juristische Verurteilung und die Hinrichtung erfolgten.

Auch die Erinnerung an Kriegsverbrechen kann in Denkmälern verhandelt werden. Diese können Anlass geben zu Konflikten zwischen verschiedenen Nationen – vor allem, wenn eine Seite die angeprangerten Verbrechen leugnet. Im hier vorgestellten Beispiel geht es zudem um sexualisierte Gewalt, die bis heute in militärischen Konflikten insbesondere an Frauen ausgeübt wird. Die in Berlin aufgestellte Friedensstatue thematisiert ein japanisches Kriegsverbrechen an über 200.000 Mädchen und Frauen aus 14 Ländern im Zweiten Weltkrieg. Zugleich soll das Denkmal ein Symbol gegen sexuelle Gewalt an Frauen weltweit sein. Der Konflikt, der sich an dieser Statue entzündete, wurde und wird auf diversen Ebenen geführt. Es finden sich diplomatische Differenzen / Verwerfungen zwischen Japan und Korea, aber auch zwischen Japan und anderen Ländern, in denen die gleichen Statuen aufgestellt wurden. In einigen Fällen hatte der japanische Protest Erfolg, sodass die Statuen abmontiert wurden. In anderen Fällen gab es wiederum Aktionen gegen die diplomatischen Interventionen Japans.

Zwei weitere der hier dargestellten Denkmäler sind aufgrund anhaltender Debatten um den gegenwärtigen Umgang mit dem Kolonialismus ins Visier der Kritik geraten. Diese postkoloniale Kritik verweist auf die Verbrechen der Kolonialzeit und artikuliert sich – verknüpft mit den gegenwärtigen Migrations- und Flüchtlingspolitiken sowie dem allgegenwärtigen Rassismus in der sogenannten westlichen Welt – auch in der Kritik an entsprechenden Denkmälern.

Das 1909 in Daressalam, der ehemaligen Hauptstadt Tansanias, aufgestellte WissmannDenkmal zu Ehren des Kolonial-Gouverneurs für Ostafrika Hermann von Wissmann wurde nach dem Ersten Weltkrieg demontiert und nach London gebracht. Auf Betreiben des deutschen Auswärtigen Amtes kam es im Jahr 1921 nach Hamburg. Dort ist es seit Jahrzehnten Gegenstand heftiger Debatten. Es wurde mehrfach abgebaut, auch ‚tiefergelegt‘ und befindet sich nunmehr in einem Museum.

Ein weiteres Beispiel ist die Büste für den ehemaligen Premierminister der Südafrikanischen Union Jan Smuts in Kapstadt. Sie ziert den Eingang der Jan Smuts Hall der Rhodes University. Die Würdigung eines Politikers, der für einige Apartheid-Gesetze verantwortlich zeichnete, rief und ruft weiterhin Kritiker*innen auf den Plan. Studentenprotesten zum Trotz wurde die Büste bis heute nicht abgetragen.

Literatur

Holfelder, Ute/Schönberger, Klaus (2020): Die Besetzung der Landschaft – Contentious Cultural Heritages in Kärnten/ Koroška. Anmerkungen zur kulturellen Grammatik der Erinnerung an den 10. Oktober. In: Anderwald, Karl/Karl Hren/Kathrin Stainer-Hämmerle (Hrsg.): Kärntner Jahrbuch für Politik 2020. Koroški politicni zbornik 2020. Klagenfurt: Mohorjeva Hermagoras. S. 209–221. Online: http://volksabstimmung2020.aau.at/wp-content/uploads/2021/01/Holfelder_Schoenberger_2020_Besetzung_%C3%96ffentlicher-Raum_Jahrbuch_Kaernten_2020-1.pdf (Zugriff 6.1.2022).

Stachel, Peter (2007): Stadtpläne als politische Zeichensysteme. Symbolische Einschreibungen in den öffentlichen Raum. In: Jaworski, Rudolf/Peter Stachel (Hrsg.): Die Besetzung des öffentlichen Raumes. Politische Plätze, Denkmäler und Straßennamen im europäischen Vergleich. Berlin: Frank & Timme GmbH Verlag, S. 13–60.

Staatslexikon (2021): Denkmal. Online unter: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Denkmal (Zugriff 7.6.2021).

Uhl, Heidemarie (2001): Das „erste Opfer“. Der österreichische Opfermythos und seine Transformationen in der Zweiten Republik. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft (ÖZP), 30, 1, S. 19–34. Online unter https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-59626 (Zugriff 6.1.2022).

Wörterbuchnetz (2021): Denkmal. Online unter: https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB#1 (Zugriff 7.6.2021).