Der Sturz des Saddam Hussein-Denkmals in Bagdad


Kriegspropaganda-Inszenierung oder Volksaufstand?

Jakob Salvenmoser

„Operation Irakische Freiheit“

Am 9. April 2003 berichtete der Vizepräsident der Vereinigten Staaten, Richard („Dick“) Cheney vom Ende des diktatorischen Regimes im Irak (CNN 2003). Im Rahmen einer Invasion marschierten Streitkräfte der MNF-I (Multinationale Truppe-Irak), die hauptsächlich aus US-Amerikaner*innen bestand, nach Kämpfen im Norden und Osten des Irak in Bagdad, der Hauptstadt des vom Bürgerkrieg gezeichneten Landes und der Machtzentrale des Regimes von Saddam Hussein, ein. Dort angekommen, unterstützte die MNF-I die irakischen Aufständischen dabei, eine Saddam-Hussein-Statue am Firdaus-Platz zu stürzen. Die internationalen Medien waren uneins ob des genauen Zeitpunkts des Denkmalsturzes (Aday et al. 2005: 320f.).

Das Ereignis wurde weltweit und zum Teil live im Fernsehen übertragen sowie von unzähligen Fotograf*innen dokumentiert. Tagelang berichteten die Medien vom symbolträchtigen Sturz des Denkmals, der fälschlicherweise mit dem Ende des Krieges gleichgesetzt wurde (ebd.: 315). Gleichzeitig berichteten die Medien von Unruhen und Aktivitäten in anderen Teilen der Stadt, in denen jedoch nicht annähernd so viele Reporter*innen vor Ort waren. Die globale Berichterstattung über den Fall der Statue verdrängte andere mögliche Erzählungen und andere Bilder. Obwohl die Kämpfe in Bagdad an diesem Tag weitergingen, ganz zu schweigen von denen im restlichen Land, wurde den Zuschauer*innen nur wenig davon gezeigt. Beispielsweise dauerten die Kämpfe wenige Querstraßen vom Firdaus-Platz entfernt an, fanden jedoch keinerlei Beachtung durch die anwesenden Kamerateams (ebd.: 326).

Der Denkmalsturz wurde durch die Sender CNN und Fox News Channel (FNC) gezeigt und in ihren Sendungen auch diskutiert. Vielfach wurde angenommen, dass es sich um eine Inszenierung gehandelt habe. Obgleich es keine hinreichenden Belege hierfür gibt, lassen sich Hinweise darauf in Studien zur Medienberichterstattung über den Krieg finden (vgl. Aday et al. 2005).

Der Konflikt um die Darstellung der Geschehnisse des Denkmalsturzes sowie die Frage nach der Rolle der Medien bei der Darstellung von geschichtlichen Ereignissen sollen im Folgenden erörtert werden.

Das Ziel dieses Beitrags besteht darin, die medial vermittelten Berichte über den Denkmalsturz unter Berücksichtigung der Rollen und Interessen der verschiedenen Beteiligten des Konfliktes zu untersuchen.

Zunächst werden die Firdaus-Statue selbst und der geschichtliche Hintergrund ihres Aufstellungsortes beschrieben. Anschließend wird die mediale Berichterstattung über den Denkmalsturz analysiert. Dabei wird nach Anhaltspunkten für eine mögliche Inszenierung gefragt. Hierzu werden Zeitungs- und Nachrichtenberichte von diversen Medien hinzugezogen. Danach erfolgt ein Überblick über Saddam Husseins Werdegang und die Baath-Partei. Ich schließe mit Überlegungen darüber, welche Interessen mit dem Denkmalsturz verbunden sind bzw. was der Denkmalsturz symbolisieren soll.

Vom Denkmal des Unbekannten Soldaten zur monumentalen Saddam-Hussein-Statue am Firdaus-Platz

Nahe am Ufer des Tigris, im Bagdader Stadtteil Karrada gelegen, befindet sich der Firdaus-Platz (siehe Abb. 1). Heute dominiert hier ein weitläufiger Kreisverkehr den Platz – dieser macht seinem Namen (Firdaus = Paradies, Garten) alle Ehre. Er lädt zum Flanieren ein und lockt abends mit farbig beleuchteten Wasserspielen.

Abb. 1: Der Firdaus-Platz. Heute ein belebter Ort mit Palmen und bunten Wasserspielen. © Google Inc.

Doch nicht immer diente der Firdaus-Platz dem Zweck der Verkehrslenkung oder des Flanierens:

1959 – ein Jahr nach dem Putsch gegen die von Großbritannien installierte irakische Monarchie – beauftragte der erste Premierminister der jungen Republik Irak den Architekten Rifat Chadirji mit der Errichtung eines Denkmals für den Unbekannten Soldaten (siehe Abb. 2) auf dem Firdaus-Platz. Sein Entwurf lehnte sich an den „Bogen von Ktesiphon“ in der alten Hauptstadt des Partherreiches an und verherrlichte den Tod von Soldaten im Dienst der irakischen Nationalstaatsidee (Enzyklopädie 2021).

Abb. 2: Zum Vergleich: der Firdaus-Platz im Jahr 1959 mit dem Denkmal für den Unbekannten Soldaten von Rifat Chadirji. © Adsttc Images

Rifat Chadirji galt als ein Gegner des Baath-Regimes und wurde 1978 unter Ahmed Hassan al Bakr im Irak inhaftiert. Bereits zwei Jahre später, als Hussein bereits an der Macht war, wurde Chadirji für die Realisierung der architektonischen Projekte des neuen Regimes freigelassen. Die Aufträge des Machthabers soll er jedoch jahrelang regelrecht ignoriert haben und nahm ab 1983 eine Lehrtätigkeit an der Universität Harvard an. Nach circa einem Jahrzehnt, begleitet von Reisen durch die USA, wanderte er schließlich nach England aus (Alsammarae 2017). Sein monumentaler Bogen am Firdaus-Platz wurde 1982 von der irakischen Regierung abgerissen, nachdem jenseits des Tigris, im Zentrum von Bagdad, ein neues, monumentales Denkmal für den Unbekannten Soldaten zur Erinnerung an die im sogenannten Ersten Golfkrieg (1980–1988 gegen den Iran) gefallenen irakischen Soldaten entstanden war (Enzyklopädie 2021).

Zwölf Meter hoch – Errichtung und Sturz des Saddam-Hussein-Monuments

Anlässlich des 65. Geburtstags von Saddam Hussein wurde am 28. April 2002 eine sechs Meter hohe Ganzkörperstatue des Diktators aus Bronze auf einem ebenso hohen, zylindrischen Sockel aus Beton am Firdaus-Platz aufgestellt. Der Entwurf zu dieser Statue stammte vom irakischen Bildhauer Khaled Izzat (Meek 2004). Dieses Denkmal soll laut arabischen Medien mit zwölf Metern Höhe und circa einer Tonne Gewicht die größte Statue des Diktators gewesen sein (The Guardian 2021).

Abb. 3: Diese Abbildung zeigt den Firdaus-Platz mit der noch aufrechten Statue von Saddam Hussein kurz vor dem Denkmalsturz. Die Menge auf dem Platz erscheint in dem gewählten Bildabschnitt überschaubar. Im Zentrum dieses Pressebildes stehen die für den Denkmalsturz logistisch verantwortlichen Soldaten (Marine Gunnery Sergeant Leon Lambert und Corporal Edward Chin). © Alexandra Boulat/VII

Dieses auffällige Denkmal sollte jedoch nur ein knappes Jahr stehen. Im Zuge der Kämpfe um Bagdad, die die MNF-I im April 2003 für sich entschied, wurde es medienwirksam von seinem prestigeträchtigen Standort entfernt (Wikibrief 2021).

Ersatzstatue „Freiheit“

Abb. 4: „Freiheit“-Statue mit symbolisch verkörperter irakischer Familie und Halbmond © Marin R. Sullivan/SculpturalThings

Kurz nachdem die Saddam-Hussein-Statue gefallen war, wurde der irakische Künstler Bassem Hamad al-Dawiri mit der Gestaltung einer sieben Meter hohen Ersatzstatue beauftragt, die „Freiheit“ symbolisieren soll. Sie wurde auf dem Betonsockel der Vorgängerstatue aufgestellt und zeigte eine symbolische irakische Familie, die einen Halbmond und eine Sonne hochhält (siehe Abb. 4). 2013 wurden sie und alle auf dem Firdaus-Platz vorhandenen Säulen ebenfalls wieder abgerissen (ebd.).

Gestaltung und Materialität als Machtdemonstration

Abb. 5: Nahaufnahme der Saddam-Hussein-Statue. Die Schlinge um den Hals konterkariert die Gestik und relativiert kurz vor dem Sturz die Monumentalität ihrer Materialität © Wikimedia Commons

Die Gestaltung der Saddam-Hussein-Statue in Form eines aufrechtstehenden Mannes mit ausgestrecktem Arm und offener Handfläche (siehe Abb. 5) lässt sich im Zusammenhang mit Husseins Machtfülle deuten. Die überdimensionale Größe des Denkmals kann als eine Allegorie auf die Macht seines Regimes verstanden werden. Zudem symbolisiert und festigt der Standort auf einem der größten Plätze der Hauptstadt die nationale Bedeutung seiner Person.

Das Material, aus dem die Statue hergestellt wurde, war laut Hatley-Major et al. Bronze (Hatley-Major et al. 2005: 38) und kann gleichermaßen als Ausdruck der Bedeutung Saddams gelesen werden.

Peter Beaumont (2013) beschrieb im Guardian, dass der Auto-Werkstattbesitzer Kadom al-Jabouri vergeblich versucht habe, den Sockel der Statue aus Beton mit einem Vorschlaghammer zu zerstören, um damit die Statue aus eigener Kraft zu stürzen. Der Sturz des Denkmals gelang erst später mit Unterstützung der MNF-I.

Die Statue war eine materielle Repräsentation der Macht Saddam Husseins und ein Zeugnis seiner Präsenz. Sie sollte bei den Betrachter*innen Ehrfurcht erzeugen. Die Größe des Sockels zeugte von Erhabenheit und signalisierte Weitblick. Die massive Bronzestatue zitierte durch die Gestik der Figur die Ästhetik einer Josef-Stalin-Statue, die zwischen 1951 und 1962 in Bukarest stand (siehe Abb. 6). In diesem Sinne sollte die Saddam-Statue einen mit Weitblick ausgestatteten Landesvater, dem das Wohl seines Volkes wichtig ist und Hilfe stellt, imaginieren.

Abb. 6: Die Josef-Stalin-Statue in Bukarest wies eine ähnliche Gestik auf. © Wikimedia Commons

Saddam Hussein und die Baath-Partei

Abb. 7: Nationaler Parteivorstand der Baath-Partei. Hier sieht man Saddam Hussein in der Mitte als Mitglied im Vorstend der Partei. © Wikimedia Commons

Die Baath-Partei (siehe Abb. 7) regierte das Land seit ihrer gewaltsamen Machtergreifung durch einen Putsch im Jahr 1968. Am 11. Juli 1979 wurde Saddam Hussein Generalsekretär der pan-arabischen Baath-Partei und am 16. Juli 1979 auch Staatspräsident und Regierungschef des Irak. Speziell der Einfluss seines Onkels, Khairallah Talfah (1910–1993), der den jungen Saddam Hussein (vgl. Abb. 8) aufzog, prägte ihn politisch in einem pan-arabischen Sinn (Karsh et al. 2002: 14). Die Ideologie des Baathismus verbindet nationalistischen Panarabismus und revolutionären Säkularismus mit den Elementen eines arabischen Sozialismus. Talfah, der Perser*innen, Juden und Jüdinnen sowie Fliegen als die „drei, die Gott nicht erschaffen hätte sollen“ (ebd.: 15), bezeichnete, gehörte der Baath-Partei an, die sich zum Ziel setzte, alle Länder des arabischen Raums in einer Nation zu vereinen. Diese Nation sollte dabei unter der Herrschaft der irakischen Baath-Partei stehen.

Abb. 8: Saddam Hussein in jungen Jahren. © Wikimedia Commons

Bereits in jungen Jahren schloss sich Saddam Hussein der Baath-Partei an und nahm an diversen Aktionen gegen die Republik Irak, die nach dem Regierungsputsch der „Freien Offiziere“ ausgerufen wurde, teil. Bevor die ersten Wahlen der Irakischen Republik stattfinden konnten, kam die Baath-Partei durch einen Putsch mit Unterstützung von Offizieren an die Macht. Unter anderem war Saddam Hussein 1959 in das Attentat auf den Premier der Ersten Irakischen Republik, Abd al-Karim Qasim, involviert (Mullick/Nusrat 2016: 139). Das Attentat und seine Flucht über Syrien nach Ägypten wurden zu einem zentralen Teil seiner biografischen Legende. Sie wurde in Publikationen, TV-Programmen und in einem Film gefeiert (Karsh et al. 2002: 18).

Denkmalsturz als Inszenierung der Befreiungsmächte?

Abb. 9: Diese Fotografie zeigt die symbolische Suggestivität des Denkmalsturzes am Firdaus-Platz. © Jerome Delay /AP

Die militärische Besetzung eines Ortes geht häufig mit entsprechenden symbolischen Akten einher, die den Sieg bildlich in Szene setzen sollen (vgl. entsprechende Flaggenhissungen während des Zweiten Weltkriegs). Die Größe und Prestigeträchtigkeit der Statue könnte die Protestaktion der Regimegegner*innen in Form des Denkmalsturzes beeinflusst haben. Dieser symbolische Akt ging zunächst von der irakischen Bevölkerung aus, da Regimegegner*innen unter ihnen bereits vor Eintreffen der Truppen begonnen hatten, den Sockel der Statue zu demolieren. Der Denkmalsturz diente somit im Wesentlichen als Zeichen des Sieges über die Unterdrückung. Zudem sollte dadurch die Rolle der MNF-I als Unterstützung der Regimegegner*innen unterstrichen werden.

Die Anwesenheit zahlreicher internationaler Medienvertreter*innen könnte die Auswahl der Statue auf dem Firdaus-Platz für einen Denkmalsturz ebenfalls begünstigt haben. Allein in Bagdad standen zum Zeitpunkt der Intervention mehrere Dutzend Statuen des Diktators. Neben dem Platz befindet sich bis heute das Palestine-Hotel, in dem eine Vielzahl an internationalen Journalist*innen untergebracht war. Die strategische Lage nahe des Hotels ermöglichte zudem eine hohe Präsenz internationaler Medien, die an spektakulären Bildern ein großes Interesse haben (vgl. Abb. 9).

Die militärischen Operationen der Alliierten zielten von Anbeginn an, zum Teil sogar primär auf die sichtbare Eliminierung der äußeren Machtinsignien sowie auf die Zerstörung von Palästen und öffentlichen Darstellungen der Diktatur Saddam Husseins (siehe Abb. 10) (Paul 2005: 97). Ebenso war der Fokus in den Medienberichten des internationalen Fernsehens stets auf diese Bilder gerichtet. 

Abb. 10: Iraker*innen beobachten, wie amerikanische Soldat*innen am 9. April 2003 auf dem Firdaus-Platz in Bagdad die Statue von Saddam Hussein niederreißen. Eine hohe Medienpräsenz ist zu erkennen. © Patrick Baz/AFP

Eine Rolle der Medien liegt darin, Kriege durch Rückblicke in ihrer politischen Bedeutung einzuordnen. Nach Gerhard Paul werden militärische Siege seit Langem sorgsam für die Heimatfront in Szene gesetzt. „Nur selten handelte es sich um spontane Aufnahmen der Ereignisse“ (ebd.: 100).

Ein bekanntes Beispiel für die Inszenierung und Verfremdung von Bildmaterial ist das Foto der US-Marines, die auf dem Suribachi auf Iwojima, Japan, die Flagge hissten. Die von Kameramann Joe Rosenthal eingefangene Szene wurde inszeniert und das Bild beschnitten, um seine Wirkung zu verstärken (Aday et al. 2005: 317, zit. nach Sontag 2002). Eine ähnliche Inszenierung erfolgte im April 2003 in Bagdad (Paul 2005: 100).

Inszenierte Bilder entstehen oft durch das Zusammentreffen verschiedener Umstände und manchmal durch verschiedene Grade der Manipulation (Aday et al. 2005: 317). So kann die Perspektive, aus der die Fotografie aufgenommen wird, die Interpretation der Bedeutung beeinflussen, wie Abbildung 11 zeigt.

Als Aufgabe des Qualitätsjournalismus gilt es, über mögliche propagandistische Inszenierungen zum Zweck symbolischer Politik sowie über deren Hintergründe zu informieren. Solche Inszenierungen bis hin zur Verbreitung regelrechter Unwahrheiten betreiben auch politische Handlungsträger*innen in repräsentativen Demokratien. 

Der Denkmalsturz und die damit verbundenen ästhetischen Anmutungen führten in verschiedenen renommierten Zeitungen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Die Los Angeles Times legte 2004 eine Inszenierung der Aktion durch amerikanische Streitkräfte nahe (Zucchino 2004). Die Frage, ob der Denkmalsturz inszeniert wurde, kann bis heute nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Die US-amerikanischen Fernsehsender wie ABC und CNN waren zum Zeitpunkt des Denkmalsturzes vor Ort und berichteten live. Sie stritten aber jegliche Inszenierung ab. Die US-amerikanische Regierung wollte dem Publikum unter anderem mit dieser Aktion in beeindruckenden Bildern den Sieg und das Erreichen der gesteckten „Ziele der ‚Operation Iraqi Freedom‘“ (Paul 2005: 97) vorspielen. In der Studie As Goes the Statue, So Goes the War von Aday et al. (2005) wurde kritisch angemerkt, dass Fotografien aus kurzer Entfernung in der Berichterstattung geteilt wurden, die den Anschein erweckten, es handle sich bei den Teilnehmenden um eine große Zahl von Personen, die den Firdaus-Platz gefüllt hätten (Abb. 12). Aufnahmen aus der Vogelperspektive zeigen jedoch, dass sich die Teilnehmenden lediglich im Zentrum des Platzes versammelten. Aufnahmen aus anderen Blickwinkeln belegen, dass es sich bei der Menschenmenge zum Großteil um Journalist*innen und Soldat*innen handelte. Unmittelbar vor dem Sturz der Statue wechselte die Liveberichterstattung von FNC wie CNN häufig zwischen Nah- und Weitwinkelaufnahmen hin und her. Im Laufe des Tages verzichteten beide Sender auf Weitwinkelaufnahmen, obwohl diese einen realistischeren Eindruck der Größe der Menge vermittelten, und wählten stattdessen die dramatisierenden Nahaufnahmen, in denen feiernde Iraker*innen das Bild ausfüllten (Aday et al. 2005: 323).

Abb. 11: US-amerikanische Soldaten und ihr Umgang mit einem Gefangenen. Je nach Ausschnitt bzw. Framing wird ein anderes Bild vermittelt. © Foto: Itsuo Inouye/AP; Montage: Ursula Dahmen/Der Tagesspiegel

Dieser Denkmalsturz war „[…] Ausdruck der Befreiung einer unterdrückten Bevölkerung von einem brutalen Diktator, zugleich aber auch ein symbolträchtiger Beweis des militärischen Sieges der amerikanischen Streitkräfte“ (Menden 2020). Die MNF-I konnte diese Schlacht innerhalb weniger Tage für sich entscheiden. Das große Finale bestand aus dem Versuch, die Statue des irakischen Machthabers einzureißen, was jedoch erst mithilfe eines US-amerikanischen Bergepanzers (M88 Recovery Vehicle) gelang. Ein US-Marine-Soldat stieg die Statue hoch, um ihr eine amerikanische Fahne über das Gesicht zu hängen (siehe Abb. 13). Kurz darauf wurde eine mögliche ideologisch kontraproduktive Wirkung dieser Aktion offenbar erkannt und durch die Fahne aus der Zeit vor dem Putsch durch die Baath-Partei ersetzt.

Abb. 12: Nach dem Sturz wird die Statue durch die Straßen Bagdads geschleift. Bei dieser Nahaufnahme entsteht der Eindruck einer großen Menschenmenge © Ramzi Haidar/AFP

Diese Aktion stellte einen wichtigen Moment für den Konflikt zwischen den Befürworter*innen und Gegner*innen der Intervention der Vereinigten Staaten dar (Aday et al. 2005: 321). Die amerikanische Fahne konnte als Zeichen dafür gelesen werden, dass eben nicht nur die Freiheit der Iraker*innen auf der politischen Agenda der an der Intervention beteiligten Staaten stand.

Während zunächst der militärische Konflikt zwischen dem MNF-I und den Anhänger*innen Saddam Husseins im Mittelpunkt der medialen Berichterstattung bei den US-amerikanischen Sendern stand, wandelte sich mit dem Denkmalsturz die Blickrichtung. Danach wurde fast ausschließlich über den symbolischen Sturz Saddam Husseins berichtet.

Abb. 13: Ein US-amerikanischer Soldat platziert eine US-amerikanische Flagge an der Statue. © Patrick Baz/AFP

Zudem griff die Berichterstattung dieser Sender auf einige wenige Dokumentarfilme des Denkmalsturzes zurück, die stets den Ausschnitt mit ein- und derselben Gruppe feiernder Menschen zeigten. Passend dazu wurden Fotos aus einem bestimmten Blickwinkel gezeigt, um bei den Zuseher*innen den Anschein zu erwecken, es handelte sich um eine große Menschenmenge. Die unterschiedlichen Blickwinkel verdeutlichen die Abweichung zwischen dem medial vermittelten und dem tatsächlichen Ereignis auf dem Platz um die Statue. Der Rest des Platzes war leer.

Die Objektivität der Berichterstattung der ausgewählten Journalist*innen, die die Truppen des amerikanischen Militärs im dritten Golfkrieg begleiteten, wurde infrage gestellt. Bei diesen handelte es sich um embedded journalists. Sie sollten den Zuschauer*innen eine Darstellung des Krieges aus der Perspektive der Soldat*innen suggerieren. Dabei wurde den Journalist*innen vorgeschrieben, worüber sie berichten durften (Bundeszentrale für politische Bildung 2011). Die Perspektive, die mittels dieser Form der Berichterstattung vermittelt wurde, bot somit zwar neue Möglichkeiten des Einblicks, gleichzeitig war dieser durch die politische Agenda der entsprechenden Konfliktpartei gekennzeichnet.

Die USA im internationalen Konflikt

Das militärische Vorgehen der USA und ihrer Verbündeten stieß weltweit auf Empörung und erfuhr in zahlreichen Ländern politischen Widerspruch. Die US-Führung geriet unter Rechtfertigungszwang. Die militärische Intervention im Irak wurde mit der Bekämpfung der angeblichen Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen begründet, die sich im Besitz des Regimes befinden sollten. Die Bush-Administration stützte sich dabei lediglich auf Behauptungen der amerikanischen Geheimdienste. Tatsächlich gab es weder zum Zeitpunkt der Invasion noch nach Beendigung des Krieges Belege dafür. Entsprechender Kritik entgegnete die US-Regierung, dass auch andere Staaten von der Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak ausgehen würden bzw. diesen Sachverhalt für glaubhaft gehalten haben. Zu den öffentlich genannten Zielen zählte außerdem der Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen wie ethnische Säuberungen, die vom Saddam-Regime gegen die im Irak lebenden Kurd*innen und Schiit*innen durchgeführt wurden. Der 9/11-Anschlag im September 2001 hatte die Legitimation für einen „War on Terror“ geliefert, der präventive Militärschläge gegen Afghanistan und den Irak rechtfertigen sollte, weil die USA durch einen „länderübergreifend agierenden Terrorismus“ gefährdet seien (Cencig 2017: 49f.). Im diktatorisch regierten Irak und in der Folge im gesamten arabischen Raum sollte darüber hinaus eine Demokratie aufgebaut werden. Die Invasion und der Regierungssturz wurden als „Beginn eines langfristigen Friedensprojektes“ (ebd.: 50) ausgegeben.

Die Bedeutung des Denkmalsturzes

Militärische Operationen werden häufig von auf visuelle Wirkung bedachten Inszenierungen und symbolischen Handlungen begleitet. Die visuelle Politik der USA im Irak zielte auf die Demoralisierung und Erniedrigung des Gegners (Paul 2005: 96). Doch moderne Kriegsberichterstattung versucht seit jeher, die Komplexität des Krieges in einfachen, aber einprägsamen, symbolischen Bildern zu verdichten und diese dann beständig zu wiederholen (ebd.).

Beim Sturz der Statue am Firdaus-Platz handelte es sich um einen Denkmalkonflikt, der unter militärischen Bedingungen stattgefunden hat. Der Sturz und die Entfernung der Statue waren das Resultat des militärischen Erfolgs der MNF-I. Das Geschehnis wurde weltweit im Fernsehen übertragen. Damit erreichte dieser symbolische Akt der Machteroberung durch den militärischen Sieger USA ein internationales Publikum. 

Saddam Hussein versuchte, mittels der Überhöhung seiner eigenen Person seine Macht zu demonstrieren. Als Antwort demonstrierte die MNF-I ihren Sieg, indem sie sein tonnenschweres Wahrzeichen zu Fall brachte.

Auch hier sollten Medien entsprechend instrumentalisiert werden, Bilder zu erzeugen, die nicht zwingend den tatsächlichen Ereignissen entsprechen. Westliche Medienberichte konzentrierten sich auf die Geschehnisse am Firdaus-Platz und ließen die Gefechte an anderen Orten der Stadt außer Acht. Damit gelang es der US-Regierung, die öffentliche Wahrnehmung entsprechend zu manipulieren und den Sieg über den verhassten Diktator als vorherrschende Erzählung zu forcieren. Andere Gründe für diesen Krieg und die damit verbundenen Interessen sowie die Frage nach der Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak und die Notwendigkeit für ihren Beweis traten in den Hintergrund. Ein solches Framing der Berichterstattung zeigt die Macht des Militärs, Medien zu nutzen, um eine propagandistisch nützliche Version der Realität verbindlich zu machen. Die US-Regierung hatte den Krieg bereits für beendet erklärt und wollte mit dieser Inszenierung ein Bild verbreiten, das den Sieg über das irakische Regime zeigt, während die Intervention tatsächlich noch nicht beendet war. 

Unter den diktatorischen Machtverhältnissen im Irak war der Konflikt um die Errichtung der Statue nicht sichtbar. Dieser Konflikt wurde unter den Bedingungen des Krieges mit dem Sturz der Statue beendet. Ein solcher auf ein Denkmal bezogener militärischer Akt, der seine Dynamik aus dem historischen Momentum erhält, verweist zugleich auf die Kernfunktion von politischen Denkmalen: sie repräsentieren Machtverhältnisse.

Literatur

Aday, Sean/Cluverius, John/Livingston, Steven (2005): As Goes the Statue, So Goes the War. The Emergence of the Victory Frame in Television Coverage of the Iraq War. In: Journal of Broadcasting & Electronic Media 49(3): 314-331.

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Zucchino, David (2004): Army Stage-Managed Fall of Hussein Statue. In: Los Angeles Times, 03.07.2004. Online unter: https://www.latimes.com/archives/la-xpm-2004-jul-03-na-statue3-story.html (letzter Zugriff: 02.08.2021).

Abbildungen

Abbildung 1: Google Inc. (2022): Firdos Square. Online unter: https://images.app.goo.gl/eaFZdBtyCHtdbeiU9 (letzter Zugriff: 23.02.2023).

Abbildung 2: Adsttc Images (O. J.): Gallery of Iraqi Architect Rifat Chadirji Dies at 93 after Contracting the Coronavirus. Online unter: https://www.archdaily.com/937474/iraqi-architect-rifat-chadirji-passes-away-at-93-after-contracting-the-coronavirus/5e94207db35765caec0006da-iraqi-architect-rifat-chadirji-passes-away-at-93-after-contracting-the-coronavirus-image (letzter Zugriff: 22.01.2022).

Abbildung 3: Boulat, Alexandra (2011): As viewers watched on television, Marine Gunnery Sergeant Leon Lambert and Corporal Edward Chin prepared to bring down the statue of Saddam Hussein in Baghdad’s Firdos Square. © Alexandra Boulat/VII.

Abbildung 4: Marin R. Sullivan (O. J.): SculpturalThings. Online unter: https://sculpturalthings.files.wordpress.com/2013/03/4985517826_8929c22f3c_b.jpg (letzter Zugriff: 07.06.2022).

Abbildung 5: SimonaM19 (2016): Firdos Square-Statue mit Schlinge um den Hals. Online unter: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46351488 (letzter Zugriff: 22.01.2022).

Abbildung 6: O. A. (2017): Stalin’s statue in Bucharest (1951-62). © Wikimedia Commons. Online unter: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=99819504 (letzter Zugriff: 22.01.2022).

Abbildung 7: Iraq News Agency (1968-74): Members of the National Command of the Arab Socialist Ba’th Party (Iraqi wing): Party founder and General Secretary Michel Aflaq (left), Iraqi Vice president Saddam Hussein (second line), Assistant General Secretary Shibli al-Ayssami (mid left), Iraqi president Ahmad Hasan al-Bakr (mid right) and others. © Wikimedia Commons. Online unter: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27042024 (letzter Zugriff: 22.01.2022).

Abbildung 8: O. A. (1956): Саддам в молодости (Saddam als junger Mann; eigene Übersetzung JS). © Wikimedia Commons. Online unter: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11570378 (letzter Zugriff: 22.01.2022).

Abbildung 9: Delay, Jerome (2003): Iraqi civilians and U. S. soldiers pull down a statue of Saddam Hussein in downtown Baghdad, in this April 9, 2003 file photo. © Jerome Delay /AP.

Abbildung 10: Baz, Patrick (2003): Des Irakiens regardent les soldats américains mettre à bas la statue de Saddam Hussein le 9 avril 2003, sur la place Ferdous, à Bagdad. © Patrick Baz/AFP.

Abbildung 11: Dahmen, Ursula (2003): US-amerikanische Soldaten und ihr Umgang mit Gefangenem © Foto: Itsuo Inouye/AP; Montage: Ursula Dahmen/Der Tagesspiegel.

Abbildung 12: Haidar, Ramzi (2003): Place Ferdous, la statue de Saddam Hussein vient de tomber, 9 avril 2003. © Ramzi Haidar/AFP.

Abbildung 13: Baz, Patrick (2003): Des marines couvrent la tête de la statue de Saddam Hussein d’un drapeau américain, avant de le remplacer par celui de la république irakienne, et de mettre à bas le monument à l’aide d’un câble. 9 avril 2003. © Patrick Baz/AFP.