Der einen Trost, der anderen Hölle


Die Friedensstatue von Berlin-Moabit

Brankica Karpić1

Sexuelle Kriegsgewalt. Das Merkmal von kriegerischen Auseinandersetzungen

In militärischen Konflikt-, Krisen- oder Kriegssituationen kam es in der Geschichte immer wieder dazu, dass sich Soldaten an Frauen und Mädchen vergingen. Auch heute noch sind sexuelle Gewalt an Frauen in bewaffneten Auseinandersetzungen ein Problem. Nicht zuletzt geschieht dies, um den männlichen Gegner zu demoralisieren und symbolisch zu kastrieren. Frauen und Mädchen werden dabei systematisch und brutal erniedrigt, vergewaltigt und vielfach missbraucht. Um auf dieses Unrecht hinzuweisen, haben das südkoreanische Künstlerpaar Kim Seo-Kyung und Kim Eun-Sung Versionen von Statuen gestaltet, die an die japanischen Kriegsverbrechen an koreanischen Frauen im Zweiten Weltkrieg erinnern. Ein Exemplar der an verschiedenen Orten der Welt aufgestellten „Friedensstatuen“ steht seit September 2020 in Berlin. Der Konflikt um dieses Mahnmal spielt sich hauptsächlich auf der diplomatischen Ebene zwischen Japan, Korea und den beteiligten Ländern ab.

[1] Der Text wurde von Sophia Fritzer (Klagenfurt) redigiert und überarbeitet.

Globales Symbol gegen Kriegsgewalt an Frauen und Mädchen

Im Jahr 2020 errichtete unter anderem der Korea-Verband e. V. eine „Friedensstatue“ (Abb. 1) in Berlin-Moabit. Es handelt sich dabei um eine junge Frau in koreanischer Tracht, die auf einem Stuhl sitzend, die Hände zu Fäusten geballt und den Blick starr nach vorne gerichtet hat. Der zu ihrer Rechten positionierte Stuhl ist unbesetzt (Mladenova 2020).

Abbildung 1: Friedensstatue mit leerem Stuhl. Foto: C. Suthorn

Als Begründung für die Denkmalsetzung führte der Korea-Verband den historischen Kontext der sexuellen Versklavung im Asien-Pazifik-Krieg an:

„Die ‚Friedensstatue‘ erinnert an die über 200.000 Mädchen und Frauen aus 14 Ländern, die vom japanischen Militär während des Asien-Pazifik-Krieges (1931-1945) im gesamten asiatisch-pazifischen Raum als sogenannte ‚Trostfrauen‘ sexuell versklavt worden sind. Die erste bronzene ‚Friedensstatue‘ der Kunstschaffenden Kim Seo-Kyung und Kim Eun-Sung wurde am 14.12.2011 zur 1.000. Mittwochsdemonstration für die ‚Trostfrauen‘ von ‚The Korean Council for Justice and Remembrance for the Issues of Military Sexual Slavery by Japan‘ vor der japanischen Botschaft in Seoul errichtet. Mittlerweile gilt sie international als Symbol gegen Kriegsverbrechen an Mädchen und Frauen“ (Korea-Verband 2020a).

Laut Korea-Verband verweise die ‚Friedensstatue‘ auf

„die Forderungen der Überlebenden nach Anerkennung, Aufarbeitung und Entschuldigung, die bis heute nicht erfolgt sind, sowie auf die Kontinuität sexualisierter Gewalt gegen Frauen in bewaffneten Konflikten wie auch in Friedenszeiten“ (ebd.).

Die Vorsitzende des Korea-Verbandes, Nataly Jung-Hwa Han, postuliert:

„‚Die Friedensstatue soll mahnen und erinnern, sowie den Ansporn geben, Verbrechen an Mädchen und Frauen zu verfolgen, zu ahnden, und letztlich aus der Welt zu schaffen‘“ (ebd.).

Die Statue wurde von „The Korean Council for Justice and Remembrance for the Issues of Military Sexual Slavery by Japan” gestiftet. Die Stiftung „Umverteilen! für eine, solidarische Welt“ förderte die Errichtung finanziell (Korea-Verband 2020c: 11).

Erinnern für den Frieden

Die Bronzestatue wurde von dem südkoreanischen Künstlerpaar Kim Seo-Kyung und Kim Eun-Sung in Zusammenarbeit mit „The Korean Council for Justice and Remembrance for the Issues of Military Sexual Slavery by Japan“ entworfen. Sie ist Teil eines Ensembles, in dessen Mittelpunkt die Skulptur einer 13- bis 15-jährigen jungen Frau steht. Das entspricht dem Alter vieler ehemaliger „Trostfrauen”, die die japanische Armee im Zweiten Weltkrieg verschleppte (AG „Trostfrauen“ o. J.a). Seitlich der Skulptur sind zwei Tafeln in die Bodenplatte eingelassen: eine Gedenktafel sowie eine Informationstafel in deutscher und englischer Sprache (Korea-Verband 2020c: 4).

Die Informationstafel erläutert die Bedeutung der Statue im Kampf der ‚Trostfrauen‘ für die Anerkennung ihrer Geschichte und ihrer Rechte:

„Die Tracht der Statue verweist auf die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Die abgeschnittenen Haare deuten die gewaltsame Verschleppung der Mädchen und Frauen an. Die Fäuste und angehobenen Fersen drücken das Leben in Scham und Isolation auch nach der Heimkehr aus, aber auch den Willen trotz Demütigungen nicht aufzugeben. Der Vogel auf ihrer Schulter steht für Frieden, Freiheit und die Verbundenheit zwischen den Lebenden und den Toten. Der Schatten der Statue, als Mosaik in die Bodenplatte eingelassen, zeichnet den Umriss einer alten Frau. Er steht für die verronnene Zeit und verdeutlicht das lange Warten auf Gerechtigkeit. Der weiße Schmetterling ist ein Symbol für die Wiedergeburt und die Hoffnung auf eine aufrichtige Entschuldigung durch die Verantwortlichen. Der freie Stuhl lädt uns ein, Platz zu nehmen und die Gefühle der Betroffenen nachzuempfinden. Er steht für das Versprechen aller künftigen Generationen, sich gegen das Vergessen und für eine friedliche Welt einzusetzen.
Die erste Friedensstatue wurde 2011 zum Gedenken an die 1000. Mittwochsdemonstration für die Lösung des Problems der sexuellen Sklaverei durch das japanische Militär errichtet, die seit 1992 vor der japanischen Botschaft in Seoul, Südkorea stattfindet. Das Design entwickelten die Kunstschaffenden Kim Seo Kyung und Kim Un Seong gemeinsam mit The Korean Council for Justice and Remembrance for the Issues of Military Sexual Slavery by Japan.” (ebd.: 5)

Die in die Bodenplatte eingelassene Gedenktafel informiert über die Verschleppung der Mädchen und Frauen im Zweiten Weltkrieg durch das japanische Militär.

„Friedensstatue“ / „Statue of Peace“

Im Zweiten Weltkrieg verschleppte das japanische Militär unzählige Mädchen und Frauen aus dem gesamten Asien-Pazifik-Raum und zwang sie zur sexuellen Sklaverei. Die Friedensstatue erinnert an das Leid dieser sogenannten Trostfrauen. Sie würdigt den Mut der Überlebenden, die am 14. August 1991 ihr Schweigen brachen und sich gegen eine Wiederholung solcher Verbrechen weltweit einsetzten.

Eine Schenkung von The Korean Council for Justice and Remembrance for the Issues of Military Sexual Slavery by Japan, errichtet von der AG „Trostfrauen“ des Korea Verbands in Bündnis für die Friedensstatue“ (History Library 2020).

Im Zentrum der Skulptur sitzt eine junge Frau. Mit dem Wissen um das Leiden, für das die Figur der Skulptur steht, wird den Vorbeikommenden ein Identifikationsangebot gemacht. Die über die Darstellung vollzogene Vermenschlichung begünstigt positive Reaktionen der Passant*innen. Männer, Frauen und Kinder legen ihr Blumen vor die Füße und auf den Schoß, Blumenkränze zieren ihr Haupt (Abb. 3 u. 4). Im Winter bekam die Bronzefigur sogar einen Schal umgelegt, damit sie „nicht friert“ (Abb. 4) (Deutscher Frauenring 2013: 95).

Abbildung 2: Friedensstatue bekränzt und mit Blumen bedacht. Foto: OTFW
Abbildung 3: Friedensstatue. Gedenktafel auf der linken Seite in die Bodenplatte eingelassen. Foto: SagaEremit
Abbildung 4: Die Friedensstatue in Berlin-Moabit (4). Foto: C. Suthorn

Japanische Empfindlichkeiten und neue Statuen

Die Statue befindet sich im Besitz des Bezirksamtes Mitte von Berlin und steht unter der Pflege des Fachbereichs Straßen- und Grünflächenverwaltung (Hansen 2020a). Der Standort der Statue in Berlin-Moabit ist der Unionsplatz beziehungsweise der sogenannte Kopfplatz an der Kreuzung der Birkenstraße und der Bremer Straße, unweit des Sitzes des Korea-Verbands. Die Platzierung der Statue ist eine Intervention in den urbanen Raum. Das Gebiet und die Grünflächen um den Unionsplatz werden seit 2018 von diversen Gruppen und Institutionen bespielt und umgestaltet, zu denen auch der Korea-Verband gehört (Korea-Verband 2020c: 5f.).

Am Unionsplatz in Deutschland wurde erstmals eine „Friedensstatue“ im öffentlichen Raum aufgestellt, mit deren Errichtung dem politischen Druck aus Japan nicht nachgegeben wurde, erläutert Dorothea Mladenova (Japanologie Leipzig). In den Jahren zuvor wurden in anderen Städten vergleichbare Denkmäler wieder entfernt. 2016 beugte sich die Stadt Freiburg noch dem Druck aus Japan, als die Städtepartnerschaft mit der Stadt Matsuyama infrage stand. 2017 wurden Begleittafeln auf einer Statue, die im Nepal-Himalaya-Park in Wiesent bei Regensburg steht, auf Betreiben der japanischen Regierung entfernt (Mladenova 2020). 2017 verhinderte Japan die Aufstellung einer Miniatur in der KZ-Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück ebenso wie die Ausstellung einer „Friedensstatue“ im Bonner Frauenmuseum 2018 und die Errichtung einer weiteren Statue in Bonn im gleichen Jahr. Zu einer Intervention seitens der japanischen Regierung kam es auch im Fall des LWL-Museums Zeche Zollern in Dortmund und der Berliner Galerie GEDOK, die beide eine Plastikversion der Statue präsentierten (Interventionsversuche durch die japanische Botschaft gegen eine Friedensstatue in Deutschland 2019) (Korea-Verband 2020b). Gegenwärtig stehen zwei weitere „Friedensstatuen“ in Deutschland – jedoch auf privatem Grund: Die erste Statue steht im besagten Nepal-Himalaya-Park, die zweite befindet sich auf dem Grundstück der Koreanischen Evangelischen Kirchengemeinde Rhein-Main in Frankfurt am Main. Weitere Statuen wurden nicht nur in Südkorea, sondern auch in Kanada oder in den USA aufgestellt. Wer auch immer eine Statue aufstellen ließ, musste mit einem Protest aus Japan rechnen (Mladenova 2020).

2015 wurde in der kanadischen Stadt Toronto eine „Friedensstatue“ vor der Korean Canadian Association of Metropolitan Toronto aufgestellt (The Korea Times 2015). In Busan, Südkorea, wurde 2016 eine Statue errichtet, deren Abbau von Seiten der japanischen Politik gefordert wurde. Beide Statuen stehen bis heute. Wie San Francisco 2018 mit einer ähnlichen Situation umgegangen ist, könnte als beispielgebend angesehen werden: Ein kalifornischer Künstler hatte ‚Trostfrauen‘ aus drei unterschiedlichen Ländern (China, Korea und Republik der Philippinen) geschaffen, die von einer Statue, welche die Menschenrechtsaktivistin Kim Hak-Sun (1924–1997) darstellt, angeschaut werden. Daraufhin löste die japanische Millionenstadt Osaka die Städtepartnerschaft auf, die im Jahr 1957 begründet worden war, und gab bekannt, die Partnerschaft erst nach Entfernung der Statue wieder aufzunehmen. San Francisco ist dieser Forderung bis dato nicht nachgekommen (Mladenova 2020).

Sexuelle Versklavung im Asien-Pazifik-Krieg (1937-1945)

Während des Asien-Pazifik-Krieges (1937–1945) verschleppten das japanische Militär und seine Helfer*innen mindestens 200.000 Mädchen und junge Frauen im Alter von elf bis 29 Jahren. Die Opfer wurden aus Japans Kolonien Korea und Taiwan sowie aus den besetzten Ländern systematisch zwangsrekrutiert. Anfangs wurden Prostituierte offiziell angeworben, doch infolge der stetig wachsenden Zahl an Soldaten ließ sich der steigende ‚Bedarf‘ nicht mehr decken, was zur Zwangsrekrutierung junger Mädchen und Frauen führte. Diese wurden entweder durch falsche Versprechungen auf gut bezahlte Arbeitsplätze angelockt oder entführt und gewaltsam verschleppt. Sie wurden zum Geschlechtsverkehr mit japanischen Soldaten gezwungen und euphemistisch ‚Trostfrauen‘ (jap. ianfu) genannt. Aus Sicht der japanischen Kriegsherren sollten die verschleppten Frauen und Mädchen den Soldaten ‚Trost‘ spenden. Hierfür wurden sie sexuell missbraucht und in den Bordellen, den ‚Troststationen‘, eingesperrt. Diese wurden in den Kriegsgebieten eingerichtet und zogen zum Teil mit dem Militär von Schlacht zu Schlacht. Auf diese Weise waren die ‚Trostfrauen‘ zusätzlich den Gefahren des Kriegs ausgesetzt. Verhütung galt als verpflichtend, doch berichten viele Frauen, dass keine Verhütungsmittel benutzt wurden. Im Fall einer Schwangerschaft wurden die Frauen zur Abtreibung gezwungen.  Ein Teil der schwangeren Frauen wurde ermordet. Es ist unklar, was im Fall einer Geburt mit den Kindern geschah. Den Darstellungen gemäß betrug die Anzahl der Männer, denen jede Frau zu Diensten sein mussten, die 20 bis 30 pro Tag, in einigen Schilderungen ist von mehr als 50 Männern pro Tag die Rede. Der Tagesablauf der Zwangsprostituierten sah folgendermaßen aus: die einfachen Soldaten kamen untertags, die Offiziere in der Nacht. Nachdem Japan 1945 kapitulierte, wurden die ‚Trostfrauen‘ in den ehemaligen Kriegsgebieten zurückgelassen. Nur wenigen gelang es, in ihren Herkunftsort zurückzukehren. Scham, Schuldgefühle und Angst vor gesellschaftlicher Ächtung und Zurückweisung führten zum kollektiven Schweigen, wobei die Verdrängung nicht nur in Japan stattfand, sondern auch in den Opferstaaten: Burma, China, Ost-Timor, Indonesien, Malaysia, die Niederlande, Nordkorea, Papua-Neuguinea, Philippinen, Südkorea, Taiwan und Thailand (AG „Trostfrauen“ o. J.b).

Die Aufkündigung des Schweigens

Im Jahr 1991 wandte sich Kim Hak-Sun als erste der ehemaligen ‚Trostfrauen‘ mit ihrem Schicksal an die Öffentlichkeit und deckte das bis dahin verschwiegene Kriegsverbrechen auf. In der Folge setzten sich Akteur*innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft medienwirksam für die Opfer ein (Mladenova 2020). Im Zuge dieser Kampagne versammelten sich regelmäßig bis zu 500 Menschen und forderten von Japan eine offizielle Entschuldigung sowie eine Entschädigung. Infolgedessen begannen die Mittwochsdemonstrationen vor der japanischen Botschaft in Seoul (Korea-Verband 2020c: 9). Als Dokumente, die die Verantwortung Japans belegten, im Archiv des japanischen Verteidigungsministeriums gefunden wurden, gestand 1992 der japanische Generalsekretär des Kabinetts Kono das Kriegsverbrechen ein. Dieses wurde aber von den nachfolgenden Premierministern nicht anerkannt und regelmäßig abgestritten. Bis heute ist keine Entschuldigung und auch keine Entschädigung der Opfer im Namen der japanischen Regierung erfolgt. Die meisten der Betroffenen sind inzwischen verstorben. In Südkorea hat sich beispielsweise die Zahl der noch lebenden bekennenden Frauen auf 234 Personen verringert (Korea-Verband o.J.).

Japanisch-südkoreanische Geschichtskontroverse und ihre Austragung in Berlin

Kurz nach der Enthüllung der „Friedensstatue“ in Berlin berichteten koreanische Medien von einem Gespräch des Außenministers von Japan und Deutschland, demzufolge der japanische Minister den Abriss der Statue gefordert haben soll. Laut Japanologin Mladenova hieß es in einem koreanischen Artikel vom 1. Oktober 2020, der japanische Außenminister Motegi fordere „die Entfernung der in Deutschland aufgestellten ‚Trostfrauenstatue(n)´“. „Motegi hat in einem Videogespräch (…) das Problem einer im Zentrum der deutschen Hauptstadt Berlin aufgestellten ‚Trostfrauenstatue‘ aufgeworfen. Er bat um Kooperation mit dem Ziel ihrer Beseitigung, da sie mit dem japanischen Standpunkt unvereinbar sei“ (zit. n. Mladenova 2020). Am darauffolgenden Tag wurde die Aufforderung in der japanischen Tageszeitung „Sankei Shinbun“ veröffentlicht. In den offiziellen Mitteilungen des japanischen Außenministeriums findet die Forderung jedoch keine Erwähnung (ebd.).

Das Thema ‚Trostfrauen‘ sorgt seit Ende der 1980er-Jahre für andauernde Spannungen zwischen Japan und Südkorea („Geschichtskriege“, ebd.), die in den letzten Jahren zugenommen haben. Auf zwischenstaatlicher Ebene wurde immer wieder Versuche gestartet das Problem aus der Welt zu schaffen, was jedoch scheiterte. Die scheinheiligen Problemlösungsversuche sind, unter anderem, der Grund für die Entrüstung der Überlebenden und in der koreanischen Zivilgesellschaft (ebd.).

Die japanische Regierung dementiert nach wie vor, dass während des Asien-Pazifik-Kriegs gewaltsame Verschleppungen und Zwangsprostitution in den besetzten Regionen stattgefunden hatten, da es keine Beweise dafür gäbe. Durch die geleisteten Entschädigungszahlung im Rahmen des Grundlagenvertrags zwischen Japan und Korea von 1965 sowie weitere Zahlungen an Südkorea seien alle Probleme, laut Japan, gelöst. In Südkorea hingegen heißt es, Japan habe sich für dieses Unrecht nie entschuldigt und eine ersthafte Auseinandersetzung mit den Verbrechen wäre ausgeblieben. (Hunter 2020).

Die Kontroverse wurde anlässlich der ‚Friedensstatue‘ in Berlin 2020 wieder aufgenommen. Auf Empfehlung der „Kommission Kunst im Stadtraum/Kunst am Bau“ hatte im Sommer 2020 das zuständige Bezirksamt Berlin-Mitte die Aufstellung der „Friedensstatue“ zunächst für ein Jahr bewilligt. Ab Ende September 2020 übte die japanische Regierung auf bundesdeutsche und Berliner Stellen bis hin zum Auswärtigen Amt Druck aus und forderte, die Statue abreißen zu lassen (Hansen 2020a). Daraufhin widerrief das Bezirksamt die Genehmigung und forderte die Entfernung der Statue bis zum 14. Oktober 2020. Die Begründung des vierseitigen Schreibens, auf welches Sven Hansen in der Berliner Tageszeitung ‚Taz‘ sich bezieht, suggeriert, dass die Antragsteller*innen des Korea-Verbandes das Bezirksamt getäuscht hätten. Das Amt sei über den Inhalt des Textes auf den Begleittafeln angeblich nicht informiert worden. Der Text weise zwar keine Fehler auf, sei aber „auf und gegen Japan fixiert“ und eine „gezielte Kommentierung japanischer Politik von koreanischer Seite“ (zit. n. Hansen 2020a). Der Korea-Verband beteuert, dass dies nicht der Wahrheit entspreche, da der Antrag zur Genehmigung der Statue unmissverständlich den Hinweis enthalte, dass es zu Reaktionen aus Japan kommen könnte. „Wir haben das Amt nicht in die Irre geführt“ (zit. n. ebd.), erwiderte die Vorsitzende des Korea-Verbands Nataly Han Jung-Hwa. Sie fragte, warum das Bezirksamt den Text der Begleittafeln, nicht schon früher habe überprüfen wollen (Hansen 2020a). Dem Korea-Verband zufolge sei das Denkmal den Opfern sexualisierter Kriegsgewalt gewidmet und solle nicht die Interessen der südkoreanischen Regierung vertreten. Das Bezirksamt begründete die Entscheidung zum Abriss mit auftretenden „Irritationen“ (zit. n. Kiefert 2020). So werde mit der „‚Friedensstatue‘ und ihrer Texttafel ein politisch-historisch belasteter und komplexer Konflikt zwischen zwei Staaten aufgegriffen, der sich nicht für die Aufarbeitung in Deutschland eignet“ (zit. n. Kiefert 2020). Die Begleittafeln bezögen sich hauptsächlich auf die Verbrechen der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg. Stattdessen solle es grundsätzlich um „sexualisierte Gewalt gegen Frauen in kriegerischen Konflikten“ (zit. n. ebd.) gehen. Der Korea-Verband argumentiert hingegen: „Die Regierung in Tokio hatte direkt nach Enthüllung der Statue Druck auf das Auswärtige Amt, den Berliner Senat und das Bezirksamt Mitte ausgeübt. Es hat nur wenige Tage gedauert, bis Berlin einknickte und die Grundrechte auf Kunst- und Meinungsfreiheit einschränken lassen will“ (zit. n. ebd.). Verbandsvorsitzende Jung-Hwa Han äußert sich klar: „Das Bezirksamt Mitte konstruiert fadenscheinige Pseudo-Argumente. Der Korea-Verband hat von Anfang an transparent gearbeitet und auch darauf hingewiesen, dass mit deutlichen Protesten der japanischen Regierung zu rechnen sei“ (zit. n. ebd.). Der Inhalt der Begleittafeln entspreche den Angaben des Genehmigungsantrags, den der Verband stellte. „Das Bezirksamt Mitte wusste also, dass die Statue die nachgewiesenen Verbrechen der kaiserlich-japanischen Armee thematisieren würde“ (zit. n. ebd.).

Die „Friedensstatue“ muss bleiben!

Am 13. Oktober 2020 fand in Moabit eine Demonstration für den Erhalt der Statue statt. Unter dem Motto „Berlin, sei mutig! Die ‚Trostfrauenstatue‘ muss bleiben!“ (zit. n. Hansen 2020b) organisierten die Initiator*innen der Statue einen Protest gegen die angeordnete Entfernung der Statue und versammelten sich vor dem Denkmal. „Mit einer Entfernung der Statue stellt sich Deutschland auf die Seite der Verbrecher und arbeitet zudem aktiv gegen die Sichtbarkeit institutionalisierter sexueller Gewalt und sexueller Gewalt im Allgemeinen“ (zit. n. ebd.), so der Aufruf: „Wir wollen, dass Deutschland sich klar gegen sexualisierte Kriegsverbrechen positioniert und ein Land der Erinnerungskultur bleibt. Die Pflege diplomatischer Beziehungen darf kein Grund sein, den Überlebenden ihr Anrecht auf Gedenken zu nehmen“ (zit. n. ebd.).

Die Entscheidung des Grünen-Bezirksbürgermeisters Stephan von Dassel über die Entfernung der Statue wurde auch von Parteikolleg*innen kritisiert. „Mit der Entscheidung, die Genehmigung zu widerrufen, stellt sich das Bezirksamt gegen die Opfer von sexueller Gewalt im ostasiatischen Raum und befördert die Geschichtsbetrachtung der damaligen Kolonial- und Besatzungsmacht Japan“ (zit. n. Kiefert 2020), sagte die Grünen Fraktionssprecherin Laura Neugebauer. Hinzu kamen weitere kritische Stimmen aus Politiker*innenkreisen. Die SPD-Bezirksorganisation Berlin-Mitte setzte sich für eine transparente Diskussion über die ‚Friedensstatue‘ ein. „Das Bezirksamt kann nicht einfach eine Genehmigung erteilen und sie dann ohne konkrete Gründe entziehen. Gerade bei einem solchen Thema muss ein Amt die Entscheidungen transparent darstellen. Das ist in diesem Fall nicht passiert“ (zit. n Kiefert 2020), postuliert Co-Kreischef Yannick Haan. Die Motive, Japans Intervention sowie das Drängen auf Beseitigung der Statue wurden verschleiert und dem Korea-Verband wurde eine Täuschungsabsicht unterstellt. Auch der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Berlin (BBK) kritisiert Bezirksbürgermeister von Dassel und forderte, „das Votum seiner Kommission für Kunst im Stadtraum zu respektieren und zu unterstützen“ (zit. n. ebd.).

Am Abend des 13. Oktobers 2020 teilte das Bezirksamt Mitte mit: „Die umstrittene sogenannte Friedensstatue in Berlin-Moabit darf vorerst stehen bleiben“ (dpa/Zeit 2020). Die Frist, die Skulptur am 14. Oktober 2020 abzubauen, wurde als hinfällig erklärt, da der Korea-Verband einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht eingereicht hatte. Das Bezirksamt gab an entschieden zu haben, abzuwarten, bis die Bewertung des Gerichts vorliegt. „Wir werden die Zeit nutzen, um unsere eigenen sowie die Argumente aller beteiligten Akteur*innen in diesem komplexen Disput erneut gründlich abzuwägen“ (zit. n. ebd.), erläutert Bezirksbürgermeister von Dassel. „Wir wünschen uns einen Kompromissvorschlag, der den Interessen des Korea-Verbands sowie den Interessen der japanischen Seite gerecht werden kann. Es wäre begrüßenswert, das Mahnmal so zu gestalten, dass alle Beteiligten damit leben können“ (zit. n. ebd.).

Die ‚Friedenstatue‘ und ihr Beitrag für Menschenrechts- und Friedenspolitik

Am 1. Dezember 2020 sprach sich die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte mit 24 zu 5 Stimmen für den dauerhaften Erhalt der ‚Friedensstatue‘ in Moabit aus. Die CDU-Fraktion befürwortete die Statue, aber nicht die Begleittafel, und lehnte den Antrag ab. Ein FDP-Abgeordneter forderte ein neues Denkmal gegen sexualisierte Kriegsgewalt und sprach sich gegen die Statue des Korea-Verbandes aus. „Die ‚Friedensstatue‘ steht für ein konkretes historisches Ereignis“ (zit. n. Hansen 2020c), so Fraktionsvorsitzender der Linken Thilo Urchs. Urchs und mehrere Abgeordnete anderer Parteien kritisierten den japanischen Druck sowie das Vorgehen des Amtes und der rechten Bezirkspolitiker*innen. Die CDU bezeichnete das Verhalten der Amtsinhaber*innen als einen „Mangel an politischem Gespür“ (zit. n. ebd.). Als die CDU als Begründung ihrer Ablehnung erklärte, dass die Geschichte der Statue keinen Bezug zu Berlin habe, warf der frühere AFD-Abgeordnete Clemens Torno ein, dass Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg Verbündete gewesen waren. Einig waren sich die Vertreter*innen der SPD, Grünen und Linken darin, dass an der Ausgestaltung des Denkmals (in Rücksprache mit dem Korea-Verband) noch gearbeitet werden müsse, um die ‚Friedensstatue‘ dauerhaft in Berlin aufzustellen. Japans Kabinettsekretär und Regierungssprecher Katsunobu Kato kritisiert die Entscheidung der BVV und kündigte an, sich auch zukünftig für den Abbau des Denkmals einzusetzen (zit. n. ebd.).

Der Umgang mit der Erinnerung

Der Berliner Konflikt um die ‚Friedensstatue‘ berührt mehrere sich widersprechende Dimensionen: eine außenpolitisch-diplomatische (1), eine erinnerungspolitische (2) sowie eine normative (3) Dimension.

  1. Mit der Errichtung der Statue wird Deutschland zum Austragungsort eines Konflikts zwischen Japan und Südkorea. Japan sieht seine Interessen (bzw. sein historisches Selbstverständnis) in einem dritten Land verletzt. Die politischen Kräfte, die eine Entfernung der Statue fordern, behaupten, das Verhältnis zu Japan nicht belasten zu wollen. Die normative Frage der Erinnerung an sexuelle Gewalt gegen Frauen in militärischen Konflikten ist für sie von nachgeordneter Bedeutung (Mladenova 2020).
  2. Erinnerungspolitisch verweist die Erinnerung an einen Aspekt des Asien-Pazifik-Krieges auf ein auch für konservative politische Akteur*innen in Deutschland unangenehmes Kapitel. Deutschland war während des Zweiten Weltkriegs mit Japan verbündet. Die Thematisierung von japanischen Kriegsverbrechen berührt damit die eigene historische Verantwortung für Kriegsverbrechen in Europa.
  3. Für die Gruppe derjenigen, die feministische Anliegen verfolgen, ist die bis heute praktizierte sexuelle Gewalt gegen Frauen prioritär. Das nationale Ansehen der verantwortlichen Staaten oder auch diplomatische Rücksichten spielen für sie keine Rolle bzw. werden nachgeordnet. Mögen für den Korea-Verband ebenfalls nationale Motive eine Rolle spielen, so sind die deutschen Unterstützer*innen insbesondere für diesen nach wie vor aktuellen Aspekt (Ex-Jugoslawien, Osttimor, Kongo, Kivu-Region, Sudan etc.) militärischer Auseinandersetzungen sensibilisiert. Es geht ihnen um die Rechte von Frauen – insbesondere in Kriegszeiten. Immer noch sind weltweit Mädchen und Frauen im Krieg von Missbrauch, Vergewaltigung, Zwangsprostitution und Femiziden bedroht (ebd.).

In diesem Konflikt ringen unterschiedliche Akteur*innen miteinander. Die zivilgesellschaftlichen Gruppen vertreten die prinzipielle Kritik an einer universellen kriegerisch-militärischen Gewaltlogik gegen Frauen. Sie versuchen, in Friedenszeiten normative Schranken zu errichten und militärischen Akteur*innen Fesseln anzulegen. Ihnen geht es insbesondere darum, dass die Diskussion über sexuelle Gewalt gegen Frauen nicht einfach verdrängt oder verschleiert werden kann, sondern fortgeführt werden muss. An dieser Stelle steht Japan nicht allein am Pranger (ebd.).

Literatur und Quellenverzeichnis

  • AG „Trostfrauen“ (o. J.a), Die Friedensstatue. Online unter: http://trostfrauen.de/friedensstatue/ (letzter Zugriff: 15.07.2021).
  • AG „Trostfrauen“ (o. J.b), Das „Trostfrauen“-System und die Geschichte der Betroffenen bis 1945. Online unter: http://trostfrauen.de/trostfrauen-system/ (letzter Zugriff: 15.07.2021).
  • Deutscher Frauenring (2013), The missing gender-link: Rechtliche Aufarbeitung und Versöhnungsprozesse nach Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen gegen Frauen. Internationales Seminar des Deutschen Frauenring e.V. in der Europäischen Akademie Berlin, 30. Juni – 02. Juli 2013. Online unter: https://docplayer.org/64640947-The-missing-gender-link-rechtliche-aufarbeitung-und-versoehnungsprozesse-nach-kriegs-und-menschenrechtsverbrechen-gegen-frauen.html (letzter Zugriff: 21.6.2022)
  • dpa (2020), Friedensstatue in Moabit darf vorerst bleiben. In: zeit.de, 13. Oktober 2020. Online unter: https://www.zeit.de/news/2020-10/13/demonstration-gegen-entfernung-einer-friedensstatue?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F (letzter Zugriff: 15.07.2021).
  • Hansen, Sven (2020a), Berlin-Mitte kuscht vor Tokio. In: taz.de, 08. Oktober 2020. Online unter: https://taz.de/Gedenken-an-Trostfrauen/!5719024/ (letzter Zugriff: 15.07.2021).
  • Hansen, Sven (2020b), SPD will „Friedensstatue“ erhalten. In: taz.de, 13. Oktober 2020. Online unter: https://taz.de/Trostfrauen-Mahnmal-in-Berlin/!5719528/ (letzter Zugriff: 15.07.2021).
  • Hansen, Sven (2020c), Japan gefällt das nicht. In: taz.de, 02. Dezember 2020. Online unter: https://taz.de/Streit-um-Statue-beigelegt/!5729024/ (letzter Zugriff: 15.07.2021)
  • History Library (2020), Online unter: https://historylibrary.net/entry/%EB%AF%BC%EC%A1%B1%EC%A3%BC%EC%9D%98-vs-%EB%B3%B4%ED%8E%B8%EC%A3%BC%EC%9D%98 (letzter Zugriff: 30.1.2022).
  • Hunter, Benks (2020), Japan bedauert Duldung der „Trostfrauen“-Friedensstatue in Berlin. In: sumikai.com, 03. Dezember 2020. Online unter: https://sumikai.com/nachrichten-aus-japan/politik/japan-bedauert-duldung-der-trostfrauen-friedensstatue-in-berlin-284745/  (letzter Zugriff: 15.07.2021).
  • Kiefert, Ulrike (2020), Statue kann vorerst bleiben. In: berliner-woche.de, 16.10.2020. Online unter: https://www.berliner-woche.de/moabit/c-politik/statue-kann-vorerst-bleiben_a290347 (letzter Zugriff: 15.07.2021).
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  • Korea-Verband (2020b), Interventionsversuche durch die japanische Botschaft gegen eine Friedensstatue in Deutschland. Online unter: https://www.koreaverband.de/wp-content/uploads/2019/08/Interventionsversuche-durch-Japanische-Botschaft.pdf (letzter Zugriff: 15.07.2021).
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  • Korea-Verband (o. J.), „Trostfrauen“. Online unter: https://www.koreaverband.de/trostfrauen/ (letzter Zugriff: 22.6.2022)
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  • Mladenova, Dorothea (2020), Was bedeutet es eigentlich, dass in Berlin eine Friedensstatue in Form einer „Trostfrau“ aufgestellt wurde? In: Japanologie Leipzig, News. Online unter: https://japanologie.gko.uni-leipzig.de/news/was-bedeutet-es-eigentlich-dass-in-berlin-eine-friedensstatue-in-form-einer-trostfrau-aufgestellt-wurde/ (letzter Zugriff: 30.1.2022).
  • The Korea Times (2015), Toronto gets comfort woman statue. In: koreatimesus.com, 16.11.2015. Online unter: http://www.koreatimesus.com/toronto-gets-comfort-woman-statue/ (letzter Zugriff: 23.07.2021).

Abbildungsverzeichnis

  • Abbildung 1: Die Friedensstatue in Berlin-Moabit (1). Foto: C. Suthorn © https://commons.wikimedia.org/w/index.php?title=Special:ListFiles&offset=20210614122344%7C2019_WNBR_London_003_%28cropped%29.jpg&limit=500&user=C.Suthorn#/media/File:1954_Friedensstatue.jpg.
  • Abbildung 2: Die Friedensstatue in Berlin-Moabit (2). Foto: OTFW © https://commons.wikimedia.org/wiki/User:OTFW/Bilder/Berliner_Statue#/media/File:Statue_Birkenstr_Bremer_Str_(Moabit)_Friedensstatue.jpg.
  • Abbildung 3: Die Friedensstatue in Berlin-Moabit (3). Foto: SagaEremit © https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Friedensstatue_Trostfrauen_in_Berlin-Moabit.jpg.
  • Abbildung 4: Die Friedensstatue in Berlin-Moabit (4). Foto: C. Suthorn © https://commons.wikimedia.org/w/index.php?title=Special:ListFiles&offset=20210421214703%7CGold_fish_in_a_pothole_05.jpg&limit=500&user=C.Suthorn#/media/File:Friedensstatue_(F%C3%BCr_den_Frieden!_Gegen_sexualisierte_Gewalt!)_in_Berlin-Moabit_21.jpg.